Die Geschichte des Hessischen Gerichtesterbens

Hannes Kleinhenz, Marburg                             22.2.11

Die Geschichte des Hessischen Gerichtesterbens.

 

Eine endlose Geschichte

von hessische Finanznöten

der ewigen Klage

„Kein Geld – Leere öffentliche Kassen“

und der Realität

15 Mio. € für die Tiefgarage der privaten Elite Uni          European Business School in Wiesbaden

 

Schlimmer als Stuttgart 21

 

Thema:

Seit der ersten Hälfte 2010 plant der Hessische (FDP -Hahn) Minister der Justiz, für Integration und Europa (des weiteren der Einfachheit halber nur noch „JustizMini“ genannt ) die Schließung von insgesamt 10 weiteren erstinstanzlichen sog. „kleinen Gerichten“, nämlich der (5)Arbeitsgerichte Bad Hersfeld, Hanau, Marburg, Limburg und Wetzlar sowie der (5) Amtsgerichte Bad Arolsen, Nidda, Rotenburg a.d.Fulda, Schlüchtern und Usingen, nachdem in der Zeit von 1961 bis 2003 insgesamt 25 Amtsgerichte ( so der Hess.Rechnungshofbericht von 2003) und seit 2004 schon wieder 9 Amtsgerichte geschlossen worden sind, nämlich Bad Vilbel, Bad

Wildungen, Butzbach, Eltville, Hochheim, Homberg a.d. Efze, Witzenhausen und Wolfhagen; die Amtsgerichte Eltville, Hadamar, Herborn, Hofgeismar und Lauterbach blieben als Zweigstellen anderer Gerichte erhalten.

Begründung des „JustizMinis“ damals wie heut: mangelnde wirtschaftliche Effizienz kleiner Gerichte auf Grund von Rechnungshofberichten und generelle Personal- und Sachkosteneinsparungen, insbesondere von Mieten für Gerichtsgebäude bei gleichzeitig guter Verkaufs-/Verwertungsmöglichkeit der leer werdenden Gebäude auf Grund von Einschätzungen des landeseigenen „Spezialisten“ des Hessischen Immobilienmanagements (des weiteren nur kurz „HI“ genannt.

Ergebnis bei Realisierung dieser Planung: seit 2004 wären dann weitere 19 erstinstanzliche Gerichte geschlossen worden !!! ( seit 1961 mindestens 44 erstinstanzliche Gerichte, nur um die Dimension zu verdeutlichen ).

Das bedeutet de facto

< einen riesigen rechtsstaatlichen Kahlschlag in der flächendeckenden erstinstanzlichen Justiz,

< der Rechtsgewährungsanspruch der Bürger/innen rückt in weite und teuere Ferne,

< strukturpolitische Argumente bleiben völlig außen vor, vor allem ländliche Bereiche bluten im wahrsten Sinne des Wortes aus,

< es ergeben sich zu allem Überfluss keine wesentlichen Sachkosteneinsparungen, im Gegenteil die Verkaufschätzungen und -erfolge des „HIs“ bei den  (bekannt meist denkmalgeschützten) Amtsgerichten, wie in Wolfhagen, Homberg a.d.Efze und vor allem Butzbach erweisen sich unstreitig -wie von Fachleuten vor Ort vorhergesagt- als grob falsch,

< im Endergebnis: ein einziger riesiger Flopp !

Einen beispielhaften Beweis dafür liefert die in Schlüchtern von einer zur Erhaltung des dortigen Amtsgerichtes ( www.proamtsgericht.de ) bestens organisierte

öffentlichen Diskussionsveranstaltung mit Justizstaatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit

Am

Donnerstag 10. Februar 2011

18 Uhr

in der  Stadthalle

bei der der Vertreter von Justizminister Hahn den Schließungsbeschluß mit den bekannten, o.a. Argumenten begründet und sich anschließend den Argumenten und Fragen der Bevölkerung gestellt hat.

Daraus wurde eine denkwürdige Veranstaltung, weil Dank der einfach, klar und sachkundig vorgebrachten Fragen und Nachfragen der Schlüchterner Bürger/innen zu den ebenso erfreulich unmissverständlichen Darlegungen des Staatssekretärs Dr. Kriszeleit (des weiteren nur noch Dr. K. genannt) jedem klar wurde, dass die gesamte Argumentation des JustizMinis auf höchst tönernen Füßen steht und so nicht akzeptiert werden kann.

Hier die interessantesten Details:

1.Schlimmer als Stuttgart 21 ?

Ein junger Mann um die dreißig findet die ganze Vorgehensweise des JustizMinis,praktisch vollendete Tatsachen zu schaffen (wie beim AG Gelnhausen, wo für die Aufnahme des AGs Schlüchtern schon gebaut wird), bevor der Hessische Landtag über das erforderliche Gesetz überhaupt nur beraten, geschweige denn beschlossen hat.

Dr.K. (sinngemäß/fast O-Ton): „junger Mann, ich muss Sie hier wohl erst mal über parlamentarische Gepflogenheiten informieren/belehren. Erst berät das JustizMini intern, dann die Koaliton intern und erst wenn wir sicher sind, dass wir die Mehrheit haben, dann bringen wir den erforderlichen Gesetzesentwurf ins Parlament…..

Reaktion im Saal/Publikum: lautes Raunen, höhnisches Gelächter und die Frage wozu dann überhaupt ein Parlament gebraucht wird ?

Frage:Ist nicht seit Stuttgart 21 und der Geißler Schlichtung offensichtlich und unstreitiger Konsens aufrechter Demokraten, dass selbst bereits vom Parlament beschlossene Entscheidungen (was ja unstreitig bei den hessischen Plänen für die nun diskutierten Gerichteschließungen gerade nicht der Fall ist, wo von allen Berufsverbänden bis heute fehlende Transparenz heftig und anhaltend beklagt wird )hinterfragt werden dürfen und vor allem der Öffentlichkeit in jeder Beziehung transparent erläutert werden müssen, vor allem wenn es um bedeutende Großprojekte geht ? Wie passt dazu die Antwort von Dr. K. ? Ist es etwa ein unbedeutendes Kleinprojekt,in der Dritten Gewalt/der Rechtsprechung binnen wenigen Jahren flächendeckend weitere 19 erstinstanzliche Gerichtsstandorte zu schließen ? Wo soll das noch hinführen, fragen sich Laien, wie der oben genannte junge Mann und besorgte Experten z.B. in allen Fachverbänden ?

Ergebnis: Ja, in jeder Beziehung eindeutig schlimmer als Stuttgart 21 !

2.Welche Bedeutung hat eine ortsnahe, gut funktionierende Justiz (hier die erstinstanzliche von Amts- und Arbeitsgerichten) für den Rechtssuchenden u.d.gesamten Rechtsstaat?

Zu diesem Thema legen

< die Chefärztin Frau Dr. Markwort von der großen Tagesklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (auch die „Neue Psychiatrie genannt, 2009 mit Kosten von 11,7 Mio. € vom Land und 2 Mio. € vom Kreis fertig gestellt,und nach dem Geschäftsbericht für 2009 mit ca. 1200 stationären, ca. 220 teilstationären und ca. 980 ambulanten Patienten ),

< Frau Brand von einem großen Altenwohnheim ( ca. 125 Bewohner inklusive betreutes Wohnen),

< Herr Merx vom Behindertenwerk

< sowie der langjährig ortsansässige Rechtsanwalt und Notar Neuroth dar, in welch großem Umfang zeit- und ortsnahe und qualitativ gute richterliche Anhörungen von Betroffenen sowie sonstige Kontakte zum AG erforderlich sind, dass die Zusammenarbeit mit dem AG Schlüchtern bisher wirklich hervorragend funktioniert, welche Bedeutung sie für die Menschenwürde der Betroffenen haben(selbstverständlich auch für das gesamte betreuende Personal) und wie negativst (zeit- und kostenmäßig) sich die weiten Wege nach dem 36 km entfernten, nach den neuen Plänen zuständigen Amtsgericht Gelnhausen auswirken. Anhand von überreichten Fahrplänen wird demonstrativ nachgewiesen, dass die Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln von einzelnen Gemeinden nach Gelnhausen eine Tagesreise ausmachen. Ausführungen zu den Rechten Behinderter nach Europäischem Recht folgen. Rechtsanwalt Neuroth beschließt seinen Vortrag mit einer kleinen, offensichtlich witzig gemeinten Anektode, dass schon sein Vater befürchtet habe, dass dereinst das AG Schlüchtern verschwinde und das JustizMini statt dessen nur noch einen Automaten aufstellen werde, aus dem man gegen Einwurf von ein paar Mark ein Urteil erhalten werde.

< Ein Vertreter der Neuen Richtervereinigung ( zugleich   für den Hessischen Richterbunde) legt die unverändert bestehenden grundsätzlichen Bedenken aller Berufsverbände gegen die weiter geplanten Gerichte Schließungen aus überörtlicher Sicht dar ( fehlende Transparenz im Detail, keine echten Kostenersparnisse, schwere Schädigung des Justizgewährungsanspruchs für die Bürger/innen -ihr Recht rückt in weite und teuere Ferne- und Beeintächtigung von Qualität und Ansehen der Dritten Gewalt/der Rechtsprechung gegen über der Öffentlichkeit).

< Ein Vertreter des örtlichen WITO e.V. ( Verein für Wirtschaft & Tourismus, http://www.wito-schluechtern.de) verweist auf Widersprüche der Gerichts- Schließungsplanungen zu den Zielsetzungen der Landesentwicklungsplanung für Hessen und des Regional Plans Südhessen. Hier wird für Schlüchtern als Mittelzentrum für die Region ein Amtsgericht empfohlen. Gleichzeitig forderten die beiden Planwerke des Landes eine Erreichbarkeit z.B. eines Gerichtes binnen einer Stunde mit dem ÖPNV. Er verwies den „JustiMini“ auf die konkreten Schwierigkeiten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln eben dieser Zeit z.B. von Züntersbach zum vorgesehenen AG Gelnhausen zu gelangen (einfache Fahrt: bis zu zwei Stunden bei 3 bis 4maligem Umsteigen). Er verweist weiter auf nicht zu vernachlässigende negative wirtschaftliche Auswirkungen für Schlüchtern durch den Wegfall von über ~50000 Gerichtsbesuchern (Bedienstete mit Tageseinkäufen, Tagesgäste mit Verbindungseinkäufen und Imbis und Verpflegung am Verhandlungstag). Hier kämen als Wirtschaftsfaktor, geschätzte Umsatzeinbußen von jährlich 600000 € schnell zusammen, entsprechender Wegfall von Gewerbesteuer). Ein im Jahr 2010 neu erstelltes Einzelhandelskonzept für Schlüchtern können dem „Justizmini“ hier genaue Anhaltspunkte bieten, gerade auch, was das Einzugsgebiet von Schlüchtern und die Wirtschaftktraft pro Kopf beträfe. Der WITO-Vertreter empfahl dem „Justizmini“, das Konzept doch bei der Stadt Schlüchtern einmal anzufordern um hier mit richtigen Zahlen zu rechnen!

< Ein CDU Schulrat bestreitet, dass es konkrete Anfragen von Schulen zur Nutzung des AG Gebäudes gibt.

< ein örtlicher Makler fragt, ob jemand vom JustizMini und/oder HI schon mal wirklich das AG Gebäude von innen angesehen habe und wisse dass es unter Denkmalschutz stehe, und er -der Makler- sich eine wirtschaftliche Verwertbarkeit nicht recht vorstellen könne, insbesondere bezweifele, dass es einen echten Privatinvestor geben, der dort ein Altenheim errichten wolle (O-Ton: „den möchte ich mal sehen !“)

Die Antworten Dr. Ks, zur letzten Frage hilfloses Axelzucken, ansonsten müsse angesichts des gewaltigen Defizits im Staatshaushalt auch die Justiz -im wesentlichen allerdings nur bei den Sachkosten- sparen, auch von ihm, Dr. K. nicht gewünschte und nicht für sinnvoll gehaltene Personaleinsparungen seien ansonsten unvermeidlich. Soweit das „HI“ in der Vergangenheit bei den Amtsgerichten Wolfhagen, Homberg a.d. Efze und und Butzbach beim Verkaufserlös Fehleinschätzungen unterlegen sei, gehe er „vorsichtig optimistisch“ (so O-Ton !!!)davon aus,dass die Spezialisten vom „HI“ das nun besser machen, man müsse ja doch seinen eigenen „Spezialisten“ vertrauen. Im übrigen habe das bereits jetzt für den Wochenenddienst zuständige AG Gelnhausen doch bewiesen, dass es zufriedenstellend die Anhörungsanforderungen erfüllen könne und dass schließlich weder er, DR. K. noch der JustizMini geplant hätten,die o.e.Automaten aufzustellen. Schließlich könnten die Zahlen des WITO Vertreters auf keinen Fall stimmen. All diese Ausführungen Dr. Ks werden im voll gefüllten Saal mit lautem Gelächter, Buhrufen und Protest beantwortet.

Ergebnis: wer je als Richter im Unterbringungs-, bzw. Betreuungsrecht tätig war (selbstverständlich erst recht der in den Kliniken damit beruflich befasste Personenkreis)weiß, wie schwierig und zeitaufwändig bei derartigen Entfernungen, hier 36 km einfacher Weg zum AG Gelnhausen, die vorgeschriebenen zeitnahen Anhörungen durchzuführen sind; davon sowie zu den zusätzlichen Reisekosten der Richter/innen, die der Staatskasse zur Last fallen, kein Satz vom Vertreter des JustizMinis. Weshalb Dr. K. glaubt, angesichts der vergangenen Fehleinschätzungen des „HIs“ weiter „vorsichtig optimistisch“ bezüglich evtl. Verkaufserlöse oder anderweitiger wirtschaftlicher Verwertung der frei werdenden Gebäude sein zu dürfen, wird nicht weiter erläutert und belegt beeindruckend deutlich, dass alle darauf beruhenden Einsparungsberechnungen lediglich „optimistische Schätzungen“ mit wenig Gehalt sind.  Erneut eine offensichtlich höchst ungenügende Antwort, den Gerichte-Urteil-Automaten Witz versteht Dr.K. bis zum Schluss trotz Erläuterungen von RA Neuroth nicht, auf die Erwiderung des WITO Vertreters, dass seine Zahlen durch eine ausführliche und gründliche Studie belegt seien und er diese Dr. K. und dem JustizMini nach der Veranstaltung gerne zur Verfügung stelle, weiß Dr. K. nichts mehr zu sagen und es wird jedem im Saal offensichtlich, dass der Protest der Schlüchterner offensichtlich berechtigt ist, auch weil Dr. K. sich in die Höhle des Löwen (bzw. das kleine gallische Dorf) begeben und so offen alle kritischen Fragen beantwortet und damit mehr Klarheit als erwartet geschaffen hat, was durchaus Respekt verdient hat, aber nichts daran ändert, dass das JustizMini (und auch der Rechnungshof) wesentliche Gesichtspunkte bei den geplanten Gerichte Schließungen entweder überhaupt nicht  und, bzw. oder -wie bei den Gebäudekosten offensichtlich- nur mit vagen, höchst zweifelhaften Einschätzungen begründet.

III. Im Anschluss an diese Veranstaltung drängen sich für jeden halbwegs kritischen und mitdenkenden Bürger eine Fülle von Fragen förmlich auf, die sich auch jedem Abgeordneten aufdrängen müssten und sollten, wenn ihm  die Funktionfähigkeit einer unabhängigen Justiz/Rechtsprechung wirklich wichtig ist ( ist es in der demokratischen Gewaltenteilung nicht gerade Aufgabe der Parlamentarier/Abgeordneten, die Vorhaben der Verwaltung, hier des Justizminis auf ihre Berechtigung kritisch zu hinterfragen ??).

Da die Probleme bei fast allen betroffenen Gerichten und Gemeinden ähnlich sind, drohen sich Fehleinschätzungen im rechtsstaatlichen und kostenmäßigen Bereich zu einem gewaltigen und fatalen Flopp in Form einer „Justizwüste in der Fläche ohne echte Kosteneinsparung“ zu potenzieren, so dass vor und bei Verabschiedung der geplanten Gesetzesänderungen folgende Fragen sorgfältig gestellt und beantwortet werden müssen:

Wie transparent, realistisch und nachvollziehbar sind die Sach-Personal-Kosten-Sparargumente des JustizMinis wirklich ?

Sind die Verkaufs-/Vermietungskosten leer werdender Gebäude in allen Fällen wirklich realistisch ? Wieso kann man „vorsichtig optimistischen Einschätzungen des HIs trauen, sie einer Sparplanung zu Grunde legen, wenn sie schon in der Vergangenheit mehrfach falsch waren ? Wenn man sich einmal nur am Beispiel des AGes Usingen die Ansätze ( wie gesagt „vorsichtig optimistische Schätzungen“ !!!!) des HIs und Justizminis für die Verwertbarkeit der betroffenen Immobilie (Sparpotential 178500 €) ansieht (ähnliches gilt für Schlüchtern und die anderen Gerichte) und im Vergleich dazu Dauer desLeerstandes, Verkaufszeitpunkt und Erlöse der AGe Wolfhagen, Homberg a.d.Efze und Butzbach (meiner Erinnerung nach auch beim AG Witzenhausen)von JustizMini und HI dargelegt würden (was sie eben gerade nicht tun !), könnte man leicht feststellen wie vage und ungewiss diese ganzen „optimistischen Spar-Schätzungen des Justizminis sind. Da hilft und genügt es doch nicht, dass es mal geglückt ist, eine im Großstadtgebiet Kassel gelegene JVA zu verkaufen (wobei auch da noch interessant wäre/ist, in welchem Verhältnis Verkaufsschätzung und Verkaufserlös wirklich stehen).

Wie sehen die konkreten Baukosten z.B. in Schlüchtern-Gelnhausen, in Usingen, in Gießen und andernorts wirklich und aktuell aus ?

Sind die Kosten-Nutzen-Darlegungen des Justiz Ministeriums ausreichend und überzeugend nachgewiesen? (was doch auf Grund des teuer eingekauften SAP R 3 Kosten-Nutzen-Programms so einfach sein soll)?Wo und wie genau sind vor allem die Kosten für die Planung,Organisation, Umzüge, Zusammenlegungen und Baumaßnahmen für Neu- und Umbauten, Archive und Parkplätze, leerstehende Gebäude usw. konkret und nachvollziehbar dargelegt?

Wo sind erhöhte Reisekosten von Richtern für weitere Anhörungstermine, deren Zeitverluste und erhöhte Arbeitsbelastung hierdurch berücksichtigt ? Ähnliches gilt für erhöhte Vorführkosten und Zeitaufwand sonstigen Justizpersonals sowie für erhöhte Prozeßkostenhilfekosten von rechtssuchenden Bürgern, die wieder der Staatskasse zur Last fallen ?

Wie steht es wirklich mit der Aufnahmefähigkeit der aufnehmenden Gerichte ? Wo und wie sind z.B. die Archive untergebracht (z.B. des AG Usingen beim AG Homburg) ?

Wie sieht das angeblichen Nichtsparen, der Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen beim Personal, z.B. am AG Schlüchtern und dem Arbeitsgericht Marburg und andernorts wirklich aus? Haben da nicht bereits Mitarbeiter von sich aus gekündigt und andere Stellen außerhalb der Justiz gefunden ? Wie war das bei den früheren Gerichtsschließungen ?(und sind das nicht gerade die flexibelsten und besten Mitarbeiter/innen ? – ohne den anderen zu nahe treten zu wollen). Wieviel Personal ist tatsächlich weg gefallen und wieviel ist dadurch tatsächlich eingespart worden ?

Wo und wie sind in all den Sparüberlegungen des JustizMinis der steigende Zeit-,Kosten- und Beratungsaufwand für den rechtssuchenden Bürger berücksichtigt ?(das Land spart -vermeintlich- und der Bürger zahlt echt drauf und zwar nicht wenig !)Welche zusätzlichen Nachteile und Kosten entstehen für Rechtssuchende wie deren evtl. Rechts- und Firmenvertreter? (längere Fahrt- u.Wartezeiten, größere Fahrtkosten,die nicht ersetzt werden, schlechtere Qualität der Rechtsprechung, Justizverdrossenheit)?

Setzt innere Sicherheit (an der ja nicht gespart werden soll) nicht zwangsläufig/zwingend eine Orts-und Bürger nahe, gut funktionierende Justiz voraus?

Welchen Sinn macht es, Polizei,Staatsanwaltschaften und Strafvollzug zu stärken, ohne die Justiz ebenso effektiv auszustatten ?

Sind die Bezugnahmen des Justiz-Ministeriums auf den Hessischen Rechnungshof wirklich zutreffend? Wer hat denn diese Berichte konkret gelesen und hinterfragt ? Wer hat sich mit den hiergegen vorgebrachten Argumenten der Berufsverbände und Richtervertretungen/Bezirksrichterrat wirklich beschäftigt?

Wie berechnen sich ab welchem Zeitpunkt die Personaleinsparungen konkret? Wie werden z.B.Direktoren, ihre Vertreter, Geschäftsstellenleiter und deren

Vertreter an den neuen Gerichtsstandorten im Vergleich zu vorher bezahlt ? Und wie viele Justizmitarbeiter/innen, vor allem bei den Halbtagsstellen von Frauen, scheiden

einfach von sich aus aus dem Dienst aus, weil es rein zeitlich nicht mehr machbar ist und sich finanziell nicht mehr lohnt?)

Wie beurteilen sich Kosten-Nutzen-Einsparungsberechnungen des Justizministeriums im Verhältnis zur Einnahmesituation (z.B. in der ordentlichen Gerichtsbarkeit)?

Welche Kosten-Nutzen-Einsparungen haben sich aus den vorangegangenen flächendeckenden Schließungen von kleinen Amtsgerichten ergeben?

Welche anderen Sparanregungen des Rechnungshofes sind mit welchem Kosten-Nutzen-Spareffekt-Umfang geplant und bisher umgesetzt?

Wie sieht es mit den Einsparungen im eigenen Regierungslager aus? (kleinere und

weniger Ministerien, weniger Staatssekretäre, Baumaßnahmen u.a.m.)?

Werden generelle Einnahmeverbesserungen ausreichend ins Auge gefasst?(wie Vermeidung und Verfolgung der Steuerflucht großen Ausmaßes, ausreichende Anzahle

von Steuerprüfer einstellen, ausreichend viele Steuerprüfungen großer Firmen, Maßnahmen gegen Verschwendung öffentlicher Gelder – vergl. Beanstandungen von Verband der Steuerprüfer, Steuerzahlerbund, Prof. von Arnim, alle Landesrechnungshöfe/Bundesrechnungshof)?

Wo ist davon überhaupt noch die Rede ?

Wie passt es zu diesen Sparvorhaben, dass die Landesregierung für die Privat Uni der European Business School insgesamt 60 Mio. € investiert, u.a. 15 Mio. € für eine Tiefgarage erst kürzlich zugesagt hat (Hessen Schau Bericht vom 3. Februar 2011)?

Abschließende Frage: sind die geplanten Spar-Maßnahmen in der Justiz nach sorgfältiger Abwägung und Prüfung aller o.g. Fragen wirklich „intelligentes Sparen, sinnvoll und

unumgänglich im Verhältnis zur Bedeutung einer funktionsfähigen, Bürger nahen Dritten Gewalt /Rechtsprechung“ ?

In Übereinstimmung mit den o.g. Organisationen und Verbänden erscheint es mir ausgeschlossen, diese Frage auf der Basis der z.Zt. vom Ministerium vorgelegten Zahlen und Argumente zu bejahen; vielmehr wird die Umsetzung der geplanten Maßnahmen in die

Praxis kurz-, mittel- und langfristig verheerende Folgen für das grundgesetzlich garantierte

Rechtsstaatlichkeits-Prinzip, die Unabhängigkeit der Justiz und vor allem den Rechtsgewährungsanspruch

aller Bürger und Rechtssuchender haben.Und vor allem: wenn auf einer Wundertüte „Sparen draufsteht“ sollte auch „Sparen drin sein“ – ist es aber nicht !

DESHALB

der Appell an alle Bürger und Demokraten,Abgeordnete aller Parteien: informiert Euch genau, prüft alles gründlichst, macht diese Informationen allen

Interessierten und vor allem Abgeordneten zugänglich, befragt sie intensiv, nehmt Einfluss und wehrt Euch wie Schlüchterns findige Bürger, die man eben braucht im Kampf

für

den Rechtsstaat,

den Rechtsgewährungsanspruch aller Bürger,

eine funktionierende Demokratie

mit einer funktionierenden Gewaltenteilung !

Fragt/fragen Sie, denkt/denken Sie nach und wenn es dann nicht passt, dann sagen Sie in Schlüchtern, Usingen, Marburg und anderswo eben einfach

N E I N SOOO NICHT !!!

schließt Euch/schließen Sie sich  dem Protest an unter www.gerichtesterben.de und/oder www.proamtsgericht.de

Und auch in Marburg – wie an anderen betroffenen Orten – sollte, könnte und müsste man um sein Arbeits-/Amtsgericht kämpfen mit tausenden von Unterschriften und ständigen Aktionen wie es das kleine Schlüchtern vormacht U N D  entsprechendem Wahlverahlten bei passender/nächster Gelegenheit!

Hannes Kleinhenz, Marburg, den 21. Februar 2011

Pressesprecher des Marburger Aktionsbündnisses gegen die Schließung des Arbeitsgerichtes Marburg und gegen das Hessische Gerichtesterben

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