Das Einsparungsmärchen des Justizministers – In Wahrheit würde eine teure Justizwüste geschaffen

Die Schließung des Schlüchterner Amtgerichts – und damit die Schaffung einer Justizwüste im oberen Kinzigtal – wird vom Justizminister mit Einsparungen in Höhe von 304.000 Euro begründet. Wie immer diese so präzise Zahl zustandekommt (der Rechenweg wurde bisher tapfer verschwiegen), hier sei einmal die Gegenrechnung aufgemacht:

An das Hessische Immobilienmanagement (formal Besitzer des Amtsgerichtsgebäudes) werden jährlich für Miete und Gebäudeunterhaltung ca. 100.000 € gezahlt. Dieser Betrag würde im Haushalt des Hess. Ministeriums der Justiz (HMdJ) in der Tat gespart. Für den Steuerzahler ist das aber eine Milchmädchenrechnung, weil diese Hessische Immobiliengesellschaft zu 100% in Landeseigentum ist!!! Oder haben Sie mehr Geld auf Ihrem Konto, wenn Sie vom Spar- auf das Girokonto umbuchen??? Da nun aber das Gebäude vom Land Hessen weiter unterhalten werden müsste, fallen im Haushalt des Finanzministeriums Kosten an, denen keine Mieteinnahmen mehr gegenüberstehen. Und wer darf das bezahlen? Richtig: Sie als Steuerzahler dürfen für verschlechterten Justizservice auch noch tiefer in die Tasche greifen. Und die schlappe 1/2 Mio Euro, die für die Sanierung des Amtsgerichts erst unlängst aufgewendet wurden? Richtig: die dürfen Sie als Steuerzahler auch in den Wind schreiben.

Der Restbetrag von 204.000 € soll nach Angaben des Ministeriums jährlich durch einen „effizienteren Personaleinsatz“ gespart werden. Wie das genau gehen soll, wird vom Ministerium trotz zahlreicher Nachfragen von Seiten der Gerichte und des Bezirksrichterrates nicht beantwortet. Es handelt sich hier also bisher um eine nicht nachprüfbare Behauptung.

Denken Sie bitte mal weiter: Für alle Bediensteten des AG Schlüchtern fallen aktuell Personalkosten von ca. 1 Mio € pro Jahr an. „Effizienterer Personaleinsatz“ kann, wie die Erfahrung zeigt, nur heißen, dass dann solange keine durch Pensionierung, Mutterschaft, Krankheit oder Tod freiwerdenden Stellen neu besetzt werden, bis 20 % der bisherigen Stellen eingespart sind. Hinter diesem Wort kann daher nichts anderes als Personalabbau stecken. In größeren Einheiten kann man leichter Personal abbauen und die vorhandene Arbeit auf das verbliebene Personal verteilen.

Das Ministerium hat allerdings nicht mitgeteilt, warum das Personal nur bei den von der Schließung betroffenen Gerichten abgebaut werden soll oder ob sie ähnliche Personalabbaumaßnahmen flächendeckend in ganz Hessen vornehmen wollen. Wenn man z.B. Herrn Staatssekretär Dr. Rudolf Kriszeleit auf die Einsparungen direkt anspricht, bekommt man nur die Auskunft, dass er „lieber Beton als Köpfe“ abbauen wolle. Die eigentlichen Einsparungen lassen sich aber tatsächlich nur dann erzielen, wenn man die Anzahl der Köpfe reduziert und die anfallende Arbeit auf weniger Schultern verteilt.

Die Verlagerung der Arbeitsplätze führt zu der für das Ministerium willkommenen Nebenwirkung, dass Personal dann „freiwillig“ geht. Ältere Mitarbeiter nehmen lieber Abschläge bei der Rente in Kauf als noch ein bis zwei Jahre weiter zu fahren und junge Frauen mit Kindern geben eher den Arbeitsplatz auf als bei der Fahrt Geld draufzulegen.

Nicht eingerechnet in das ganze Rechenkunststück sind die Kosten, die der Justiz durch die Notwendigkeit der täglichen Anwesenheit eines Richters in Schlüchtern entstehen sowie dem Recht-suchenden Bürger, der weite Fahrstrecken zu einem entfernten, anonymen Großgerichtsstandort in Kauf nehmen muß.

Angesichts der hier geplanten Justizwüste im oberen Kinzigtal klingt es wie der pure Hohn, wenn der Herr Kriszeleit das aktuell so modische Verschleierungsschlagwort „alternativlos“ bemüht, um „Verantwortung gegenüber künftigen Generationen“ vorzugaukeln (s. seine Pressemitteilung vom 30. April 2010). Daß hier ein namhafter Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet wird, müßte erst noch nachgewiesen werden. Darauf warten wir nun seit Monaten vergebens. Auch nachdem der stellvertretende Landrat des Main-Kinzig-Kreises, Günter Frenz, am 19. Oktober auf einer Bürgerversammlung von einem „Schildbürgerstreich“ sprach, da bisher überhaupt „kein rationales Argument dafür“ vorgetragen worden sei, was mit der Schließung des Schlüchterner Amtsgerichts gewonnen werden könne, kam aus Wiesbaden nichts. Offenbar weiß man auch im Justizministerium, daß die eigene Argumentation nicht schlüssig ist und versucht jetzt, sich durch Beschweigen und Aussitzen über die Wahltermine des kommenden Frühjahrs zu retten.

Wir fordern eine öffentliche Diskussion mit dem Justizminister im Rahmen einer Bürgerversammlung in Schlüchtern, bei der der betroffenen Bevölkerung reiner Wein über die Zahlen und Pläne eingeschenkt wird.

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